Ob Datenintegration, Entwicklung von Anwendungen für Geschäftsprozesse oder Erstellung von Datenbank-Auswertungen – wo bislang unternehmenseigene oder externe Entwickler in Java, Python oder C++ programmiert haben, kommt heute immer häufiger No-Code Software zum Einsatz. Denn dank No-Code erstellen Mitarbeiter:innen aus Fachabteilungen als sogenannte Citizen Developer prozessrelevante Applikationen selbst. Vor dem Hintergrund des eklatanten IT-Fachkräftemangels nicht nur in Deutschland ist No-Code zudem als weit mehr als nur eine technologische Neuerung.1
WAS BEDEUTET CITIZEN DEVELOPER?
Liest man Artikel über digitale Transformation und No-Code Software ist immer auch von Citizen Developern oder Citizen Development die Rede. Der Begriff lässt im Zusammenhang mit IT zunächst stutzen, da er als erstes an die Grundbedeutung von citizen, also (Staats)Bürger wie in citizen rights oder citizenship, denken lässt. Gräbt man ein bisschen tiefer in den eigenen Englischkenntnissen oder im Internet stößt man auf den Ausdruck Citizen Joe also Otto Normalverbraucher im Deutschen. Und schon ist man in beiden Sprachen beim Kern der Aussage von Citizen Developer. Denn Citizen Developer kann im Unterschied zu hochspezialisierten Professional Developern jede und jeder werden – eine gewisse Affinität, Kreativität und Lust auf das Gestalten in der IT vorausgesetzt.
Um beim Bild des Bürgers zu bleiben: Citizen Development demokratisiert dank benutzerfreundlicher No-Code Software den Zugang zu Software-Entwicklung und Digitalisierung. In diesem Zusammenhang wird auch gerne der Begriff Empowerment verwendet, welcher die geradezu revolutionäre Bedeutung von No-Code für die IT unterstreicht: Während Software-Entwicklung und Programmierung lange Zeit nur einem kleinen Kreis von Spezialisten zugänglich war, befähigt No-Code nun eine wachsende Zahl an Knowledge-Workern digitale Transformation voranzutreiben. Der Flaschenhals IT weitet sich.
ZUSAMMENSPIEL VON NO-CODE UND CITIZEN DEVELOPER.
Das Profil Citizen Developer gäbe es nicht ohne No-Code Software, denn die Bedienung von No-Code Lösungen als standardisierte Entwicklungsumgebung ist ohne Programmierkenntnisse möglich. Statt seitenweise Code zu schreiben, im Review zu prüfen, auf Performanz zu trimmen und in den Source Code einzupflegen, erhalten No-Code Nutzer über eine userfreundliche, intuitve Oberfläche Zugriff auf vorkonfigurierte Bausteine und Funktionen. Je nach Aufgabenstellung können Citizen Developer diese dank visuell-grafischer Unterstützung, per Mausklick und Drag’n Drop zur Anwendung bringen – beispielsweise über das Verbinden von Schnittstellenknotenpunkten oder das Ziehen von Formularelementen auf eine Portal-Seite. Das geht schnell, produziert durch die Verwendung der fertigen Funktionsblöcke in der Regel keine Programmierfehler und entlastet die unternehmenseigene IT.
Citizen Developer in Unternehmen sind folglich Mitarbeiter:innen der Fachabteilungen, die im Rahmen einer kurzen Schulung ein gewisses, No-code basiertes IT-Verständnis erwerben und so in der Lage sind, Applikationen für ihre Prozesse zu erstellen.
Statt sich mit Lastenheft und Auftrag an die IT-Abteilung oder den IT-Dienstleister zu wenden, konfigurieren Citizen Developer also entlang der Anforderungen ihres Geschäftsbereichs selbst. Beispielsweise, um bislang manuelle oder papiergebundene Abläufe zu digitalisieren oder um wiederkehrende Tätigkeiten im Geschäftsprozess zu automatisieren.
NO-CODE VERMEIDET SCHATTEN-IT.
IT-affine Beschäftigte, die nach bestem Wissen und Gewissen eigene Lösungen für ihren Fachbereich entwickeln, gibt es in Unternehmen seit langem. Diese sogenannte Schatten-IT entsteht einerseits, weil nicht auf Ergebnisse aus der überlasteten Entwicklungsabteilung gewartet werden kann oder die wiederholte Beauftragung von IT-Dienstleistern viel Zeit und Geld kostet – vom Gefühl fehlender Autonomie einmal ganz abgesehen!
Andererseits ist auch klar, dass die Fachbereiche einfach näher an den tatsächlichen Prozessanforderungen dran sind und dass auch einem IT-Experten das erforderliche Prozesswissen erst vermittelt und dessen softwarebasierte Umsetzung erneut geprüft werden muss. Beides bindet wertvolle Ressourcen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass „selbstgebastelte“ Anwendungen der Schatten-IT ein problematisches Eigenleben führen, unter dem Radar der IT-Verantwortlichen laufen, nach Ausscheiden ihrer Ersteller nicht mehr nachvollziehbar sind und mithin in keinster Weise aktuellen Erfordernissen an Transparenz und Sicherheit entsprechen. Ein Alptraum für Administratoren!
Die Schulung von Citizen Developern und der Einsatz von No-Code vermeidet das Entstehen einer Schatten-IT und lenkt die begrüßenswerte Eigeninitiative in offizielle Bahnen. Denn No Code Software ist geprüft, nachvollziehbar und kann abteilungsübergreifend ausgerollt werden. Fachbereichsexperten, die einen Beitrag zur Digitalisierung in Unternehmen leisten wollen, erhalten so eine standardisierte Entwicklungsumgebung, die den unternehmenseigenen Performance- und Sicherheitsanforderungen entspricht. Citizen Development wird somit zuverlässiger Bestandteil einer abteilungsübergreifenden IT-Strategie, statt im Verborgenen auch unerwünschte Blüten zu treiben.
WELCHE VORTEILE BRINGEN CITIZEN DEVELOPER?
Die Vorteile, die der Einsatz von Citizen Developern und No-Code Software in Unternehmen mit sich bringt, sind zahlreich:
- pragmatische Lösung für den IT-Fachkräftemangel durch Erstellen prozessspezifischer Anwendungen in anderen Fachabteilungen
- deutliche Kostensenkung durch Insourcing von IT-Kompetenz und Verzicht auf den Einkauf externer IT-Dienstleistung
- Vermeiden paralleler, sicherheitskritischer IT-Strukturen (Schatten-IT) im Unternehmen durch die Einbindung aller Fachbereiche in die offizielle IT-Strategie
- schnelles Reagieren auf plötzliche Änderungen im Unternehmen selbst, bei Lieferanten oder am Markt und damit Sichern von Umsatz und der reputation als zuverlässiger Geschäftspartner
- flexible Skalierbarkeit von No-Code Lösungen entweder durch Citizen Developer der Fachbereiche oder Professional Developer der IT-Abteilung zur unternehmensspezifischen Weiterentwicklung
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass Business-getriebene IT und damit Citizen Development für alle im Unternehmen nur Vorteile bringt und keine Abteilung Berührungsängste haben sollte – im Gegenteil! Die Synergie aus Citizen Development und professionellem Programmieren vereint das Beste aus beiden Welten und bringt die digitale Transformation in Unternehmen voran.